crime fiction II: Der Heimkehrer

Bei allem Globalismus spielt die Heimat eine zentrale Rolle im aktuellen Krimi. Heimat aber ist im 21. Jahrhundert in Migrationsgeschellschaften noch komplexer zu beschreiben oder gar anzusiedeln als im vergangenen. Gerade deshalb taucht sie immer wieder auf, wenn auch in aktualisierter Gestalt. In der 2. Staffel der Serie Kommissarin Lund war Jens Peter Raben aus diesem Grund ein wichtiger Mittelpunkt. Als ein Verdächtiger oder als ein Held der Wahrheit. Man weiß es nicht. Oder einfach nur als das unkalkulierbare Risiko eines Durchgedrehten, der es versteht mit Waffen umzugehen. Die Bezeichnung oder Chiffre vom posttraumatischem Stress muss nur an einem Nebenschauplatz und beiläufig erwähnt werden. Dem Publikum der ersten Dekade nach dem Millennium ist sie vollständig präsent. Nach seinem Einsatz in Afghanistan als leitender Offizier wird Raben, zurückgekehrt nach Europa, in einer geschlossenen Anstalt behandelt. Er besteht darauf, dass bei seinem letzten Einsatz in einem afghanischen Dorf eine einheimische Familie getötet wurde. Man hält ihn für verrückt und behandelt ihn mit Medikamenten, da keine Beweise zu finden sind.

Jens Peter Raben ist der Heimkehrer. Dabei führte schon nach dem Zweiten Weltkrieg diese Bezeichnung für Soldaten, die aus Krieg und Gefangenschaft zurückkehrten, in die Irre. Dem Kriegsversehrten ist die reine Rückkehr verwehrt. Dass er vielmehr den Krieg mitbringt als ihn hinter sich zu lassen, verbirgt die Vokabel des Heimkehrers und macht ihn für die zuhause Gebliebenen zu einem Fremden. Ob mit oder ohne Anstalt. Irre ist an der Figur des Jens Peter Raben daher weniger sein Phantasma eines unauffindbaren dänischen Offiziers, der eine afghanische Familie niedergemetzelt habe, als vielmehr seine Überzeugung, alles werde gut, wenn er mit seiner Frau sprechen kann. Durch sämtliche Folgen, durch Flucht durch den Kanal, durch Verhaftung und Verhör, durch lebensbedrohliche Verletzung zieht sich sein Mantra “Ich will mit meiner Frau sprechen.” Es ist die Idylle der Mutter-Vater-Kind-Welt, an die der Heimkehrer Raben glaubt, die ihn unheimlich macht. Denn es ist klar, dass in der crime fiction des 21. Jahrhunderts die Wirklichkeit die Idylle einholt. Alle Wenigen, die die Wahrheit wissen wollen und dieses Ziel sogar erreichen, enden – dieses Schicksal teilt Raben mit Lund – als Wrack.